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Zweiter Besuch an der Amity School Noida bei Delhi



Nachdem im vergangenen Juni eine weitere Delegation der Amity Schools aus Delhi an der Kantonsschule Wettingen zu Besuch war, reisten am 4. Oktober erneut sechs Schülerinnen, zwei Schüler und drei Lehrkräfte nach Delhi - ein weiterer Schritt, um abzutasten, ob sich zwischen den Amity Schools und der Kanti Wettingen ein regelmässiger Austausch entwickeln würde.

Hi, nice to meet you - namaste

Wie das erste Mal wurden wir mitten in der Nacht sehr herzlich empfangen. Die Familien erwarteten unsere Schüler und Schülerinnen mit herzlichem Händeschütteln. Unsere Namaste-Verbeugungen wurden dann nachträglich erwidert - beide Seiten schienen sich gut vorbereitet zu haben und waren bemüht sich anzupassen. Eine Beobachtung, die später auch an der Schule auffiel. Das erste Mal grüssten wir meist mit Namaste, dieses Jahr wurden uns oft Hände entgegengestreckt, die es einfach zu schütteln galt.

Gastfamilien - Kulturschock

Dieses Jahr gab das Leben in den Gastfamilien verschiedentlich zu reden. Die Gasteltern waren wiederum alle sehr um das Wohl unserer Schülerinnen und Schüler bemüht, wobei es manchmal schwierig war, die Bemühungen richtig einzuordnen. Ein paar Schülerinnen wurden umgehend mit indischen Kleidern und dem entsprechenden Schmuck beschenkt. Farbenfroh und elegant wallend traten sie uns in der Schule entgegen. Viele wurden verwöhnt, durften keinen Teller anfassen und wurden wie Königinnen behandelt.

Dagegen mussten andere das Bett mit dem Gastbruder oder der Gastschwester teilen, weil keine zusätzliche Schlafgelegenheit vorhanden war. Zudem sind die Matratzen in Indien härter als die unsrigen. Eine harte Matratze sei besser für den Rücken, wurde mir von meiner Yoga-kundigen Gastgeberin erklärt. Auf jeden Fall führten diese beiden Faktoren und die lebhaften Familiengespräche, die oft bis spät in die Nacht geführt wurden, zu vorübergehenden Schlafmankos.

Eines Morgens kamen drei Schülerinnen ziemlich konsterniert in die Schule. Als sie beim Frühstück die Hausangestellte begrüssen wollten, wurde ihnen vom Gastgeschwister aus klar gemacht, dies zu unterlassen. Das war vermutlich einer der widersprüchlichsten Momente, den es auszuhalten galt.

Schule - eine Show oder Angst vor Versagen?

Die eben erwähnte Begebenheit widersprach den Plakaten, mit denen die Wände in der Schule bepflastert sind. Sie weisen und auf gegenseitigen Respekt hin, setzen Freundschaft über Reichtum, zeigen den Weg zum "Gutmenschen" auf. Auch die Theaterszenen, die uns vorgeführt wurden und in denen immer ein Kind aus den Slums sein Glück, oder mindestens den Weg in eine Schule fand, enthielten einen fahlen Beigeschmack. Wir beobachteten diese Widersprüche, es galt, sie hinzunehmen. Meine Gastgeberin erklärte mir, leider hätte Amity keinen Einfluss auf die Eltern, Amity sei jeoch davon überzeugt, dass immer etwas hängen bleibe - die unerschütterliche Hoffnung aller Lehrkräfte.

Dieses Mal durften unsere Schülerinnen und Schüler ein paar Schulstunden ihrer Altersstufe besuchen. Die Stunden in Mathematik, Wirtschaft und Physik beeindruckten. Die Lehrkräfte wurden mit ausgewählten Stunden bedient. Ich wohnte einer Englischstunde bei: "All the world's a stage and all the men and women merely players", ein berühmter Monolog aus Shakespeares "As you like it". Da ich kein Buch hatte, setzte ich mich neben eine Schülerin. Sie zeigte mir ihre Unterlagen, dabei sah ich eine Tabelle, die die Lehrerin eben an der Tafel im Unterrichtsgespräch am Ausfüllen war. Ich fragte, warum sie denn alles schon ausgefüllt hätte. Das Mädchen lächelte und meinte, sie hätten die Stunde bereits die vorige Woche gehabt, und streckte darauf wieder eifrig auf. Ich war verblüfft, die Klasse wirkte engagiert und konzentriert, dabei war allen klar, dass mir ein "Schauspiel" geboten wurde - Shakespeare hätte seine Freude gehabt.

Hingabe

Das für alle eindrücklichste Erlebnis spielte sich bei Amitascha ab. Am Nachmittag, wenn alle Kinder um 14 Uhr nach Hause gehen, dann kommen die Mädchen aus den Slums in die Schule. Sie wurden in den "villages" rekrutiert, die Eltern mussten einen Vertrag unterzeichen, damit die Kinder den Unterricht auch regelmässig besuchen, d.h. sie dürfen nicht plötzlich zu Hause behalten werden, um einer Arbeit nachzugehen. Die Darbietungen der Mädchen beeindruckten. In gut verständlichem Englisch führten sie uns in die bevorstehenden Feiertage ein. Höhepunkt war die Spielstunde, die unsere Schülerinnen und Schüler mit den Mädchen gestalteten. Es war wunderbar zu beobachten, wie eifrig und hingebungsvoll beide Seiten aufeinander zu gingen.

Die Idee von Amitascha lässt vieles vergessen, weil wir erlebten, wie selbstbewusst diese Mädchen auftraten, wie lernbegierig alle waren und wie aufmerksam sie sich auf unsere Jugendlichen einliessen. Dies ist alles nur möglich, weil das Amity Imperium ihnen einen Zugang zu Bildung ermöglicht.

Die Idee, unterprivilegierten Kindern und Jugendlichen eine Chance zu geben, lässt in vielen Winkeln Projekte entstehen. So führt die Bibliothekarin der Schule am Nachmittag in ihrer Garage eine Schule für Kinder aus den Slums; ein paar Lehrerinnen unterstützen sie mit Naturalgaben wie Bananen oder ein paar Rupien. Denn wer in die Schule geht, erhält immer auch etwas zu essen, bei Amity sogar noch eine spezielle Uniform.

Wie weiter?

Die Erfahrungen in Indien sind widersprüchlich: die Herzlichkeit ist überwältigend, die Farben sind betörend, der Verkehr fast unerträglich, die Armut erschütternd. Wenn man einmal an einen Ort gereist ist, dort für eine kleine Weile gelebt und mit Menschen Ideen verwirklicht hat, dann schlägt man Würzelchen. Steigt man ins Flugzeug, so lässt man Freunde zurück und Freunde lässt man nicht hängen. Amity will wachsen und lernen. Sie haben verstanden, dass auch wir lernen wollen, um zu wachsen - ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist getan. Dazu kommt, dass wir Schweizer jetzt ein "Yes, no problem" besser einordnen können und die Inder wissen, dass wir es können....

 
Kantonsschule Wettingen
Klosterstrasse 11
5430 Wettingen
T +41 56 437 24 00
kanti-wettingen@ag.ch
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